Die Krim – ein Fluggebiet so fern, und doch so nah
07. Februar 2011Noch immer zählt die Halbinsel Krim im Schwarzen Meer für viele zu den eher weit entfernten und exotischen Regionen. Als Fluggebiet hat sie sich hierzulande noch gar keinen Namen gemacht. Selbst auf paragliding365.com war sie unter →Asien →Russland zu finden, obwohl sie doch in der Ukraine und über 1000 km vor der Grenze zu Asien liegt. Uns soll’s recht sein – so teilen wir uns dieses wunderschöne Fleckchen Erde seit nunmehr 7 Jahren lediglich mit den einheimischen und einer Handvoll gut betuchter Moskauer Piloten.
Angefangen hatte alles 2004 mit einem Telefongespräch. Sergej, der Betreiber der dortigen Flugschule, machte uns klar, dass es mit nichts ein Problem gibt. Unterkünfte für jeden Geldbeutel, kilometerlanger Strand, Verpflegung von Pelmeni über Pizza bis Döner – alles da. Und natürlich das wichtigste – der Klementjew, an der Südostküste oberhalb des Urlaubsortes Koktebel unweit von Feodossia gelegen. Eine 6 km lange Soaringkante, die auf der Nordseite in einen ebenso langen Übungshang übergeht. Egal, ob Seewind oder Landwind – Fliegen geht immer. Hier haben russische Fliegerlegenden wie der Konstrukteur Oleg Antonow ihre ersten Flugversuche gemacht. Da wollten wir auch mal hin. Die Zusammenarbeit klappte damals und klappt heute noch hervorragend. Ein Mercedes-Bus holt uns nach über dreistündigem Direktflug (es geht auch mit Zwischenstopp in Moskau, dann dauert es etwas länger) am Flughafen in Simferopol ab und steht uns nun bis zur Heimfahrt samt Fahrer ununterbrochen zur Verfügung.
Ein Riesenvorteil, wenn man schnell mal das Gelände wechseln will. Ein Shuttle vom Lande- zum Startplatz ist er allerdings nicht. Braucht er auch nicht, denn Fliegen auf der Krim heißt immer Starkwindfliegen, gelandet wird oben, oder man handelt eben den Hang wieder hinauf. Sascha kennen wir nun auch schon ein paar Jahre. Aus einem zurückhaltenden Busfahrer ist mittlerweile ein engagiertes Mitglied unserer Gruppe geworden, der uns jeden Morgen mit meteorologischen Informationen versorgt und keine noch so abenteuerliche Auffahrt scheut, um uns an einen neuen Startplatz zu bringen. Im Hotel erwartet uns eine Überraschung – der Direktor persönlich empfängt uns mit einem üppigen Bankett. Ein riesiger Fisch, dazu Beilagen aus den heimischen Gärten, die früher auch bei uns noch so natürlich geschmeckt haben, Fleisch, Süßigkeiten und natürlich – Wodka.
Tradition ist schließlich heilig. Sein Dank für unsere Treue über die Jahre zeigt, dass auch ein ukrainischer Unternehmer weiß, was „verwöhnte“ Westeuropäer zum Wohlfühlen brauchen. Wie auch immer, uns zieht es zum Berg. Am nächsten Morgen pfeift der Nordwind. Nur ein Drachen zieht einsam seine Kreise. Ein wohl etwas zu geschäftstüchtiger Tandempilot wagt sich raus – Start und Landung sind sehenswert, die Jungs hier haben’s schon drauf, aber für uns reicht das Zusehen. An diesem Tag punktet der Strand mit glasklarem, angenehm temperierten Wasser und leckerem Gebäck von fliegenden Händlern. Aber ab dem nächsten Tag ist nur noch Fliegen angesagt. Stundenlanges Hangsoaring im laminaren Nordwind, Bodenhandling bei grenzwertigen Windstärken, Aufdrehen vor der ca. 180 m hohen Südflanke, Seewindsoaring an der Steilküste vorn am Meer und zu guter Letzt noch als Höhepunkt – die Stille Bucht. Der Start liegt ca. 30 m über dem Strand, dann lässt man sich nach Osten die immer steilere und höhere Küste entlang treiben und schwebt schließlich 400 m und mehr über dem Wasser, ein unbeschreiblich schöner Flug, den wir jedes Jahr aufs Neue herbeisehnen und dann stundenlang genießen. 9 Tage lang dreht sich alles nur ums Fliegen, abends beim Landebier sind die Gesichter müde, aber glücklich. Nur an wenigen Orten ist das Fliegen so intensiv wie hier. Wer durchhält, ist von früh bis abends unterm Schirm. Wer Ruhe braucht, legt sich ins duftende Gras und schaut den Wolken zu. Hier gibt es tatsächlich noch Kräuter-„Hexen“, welche mit dem Korb auf dem Rücken die endlosen Wiesenhänge nach nützlichen Gewächsen absuchen. Auf dem Basar gibt es die dann abgepackt für ein Spottgeld zu kaufen. Wenn der Wind mittags von Nord auf Süd dreht, ist Zeit für einen kleinen Imbiss bei Lena. Sergej’s Stützpunkt direkt am Startplatz ragt wie ein Adlerhorst aus dem Hang, bei Tee und Salat beobachten wir den Windsack. Nicht selten beobachten die Russen mittlerweile uns –als Dummies zeigen wir den anderen, an welcher Stelle es gerade am besten geht. Im ersten Jahr haben wir noch die anderen Startplätze der Halbinsel abgefahren, das Krimgebirge ist schließlich über 100 km lang. Es gibt schon noch ein paar Alternativen, aber so wie hier ist es nirgends. So bleiben die anderen Gebiete, historischen Kleinstädte, Museen, Felsen, Nationalparks, Kloster usw. den wenigen nicht fliegbaren Tagen vorbehalten, an denen Sascha dann mal richtig arbeiten muss. Sonst liegt er eh nur neben seinem Bus und schaut uns zu. Am letzten Tag versuchen wir beim Packen wieder mal die 20-kg-Grenze zu knacken, ein schier aussichtsloses Unterfangen. Aber mit einem kleinen Bakschisch bei der Abfertigung halten sich die Mehrkosten in Grenzen. Es bleibt noch Zeit für unser Abschiedsritual – Sekt und Kaviar, man gönnt sich ja sonst nichts. Und dann dreht sich das Gespräch eigentlich schon wieder um den Termin fürs nächste Jahr, denn ein Jahr ohne Krim – das geht gar nicht!
Stephan hat ein sehr schönes Stimmungsvideo geschnitten. Ihr findet es hier:
Im Juni und September sind zusätzliche Reisen für Neugierige in Vorbereitung. Die Betreuung wird durch einen orts- und sprachkundigen DHV-Fluglehrer gesichert.
Wer Interesse hat, kann sich unter info@paradopia.de melden.